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Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) | 25.02.2021

Ziemlich häufig: Seltene Erkrankungen – betroffen ist auch die Leber!

Zum Rare Disease Day, dem Tag der seltenen Erkrankungen, der seit 2008 jedes Jahr am letzten Tag im Februar, in diesem Jahr also am 28. Februar, stattfindet, weist der Schwerpunkt Gastroenterologie des UKGM Gießen sowie die Deutsche Leberstiftung auf seltene Erkrankungen hin, die insgesamt recht häufig sind. Viele von ihnen können auch zu einer Leberschädigung führen. Inzwischen gibt es für etliche Erkrankungen Behandlungsmöglichkeiten – deshalb ist die entsprechende Diagnose wichtig.

In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Doch von diesen Krankheiten gibt es viele. Das Nationale Netzwerk seltener Krankheiten geht davon aus, dass in Deutschland 5.000 bis 8. 000 seltene Krankheiten bekannt sind. Für Deutschland geht man von vier Millionen Betroffenen aus. Daher leben bei uns viele Menschen mit einer seltenen Erkrankung. Seltene Krankheiten sind meistens genetisch bedingt und oft chronisch, sie verlaufen fortschreitend und senken häufig die Lebenserwartung. Dabei werden angeborene Krankheiten unterschieden von Erkrankungen, die infektiöse oder toxische Ursachen haben. Es gibt verschiedene seltene Erkrankungen mit genetischer Ursache, die zu einer Leberschädigung führen können. Hierzu gehören der Morbus Wilson, die Porphyrie, der Alpha-1- Antitrypsin-Mangel, einige lysosomale Speichererkrankungen und auch die Hämochromatose.

Viele seltene Erkrankungen der Leber sind inzwischen behandelbar

Die Diagnose und Behandlung ist meist sehr schwierig, Betroffene haben oft einen langen Leidensweg. Je weniger Menschen an einer Krankheit leiden, desto geringer ist das Wissen über deren Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten. Oft vergehen deshalb Jahre, bis eine seltene Erkrankung richtig diagnostiziert wird. Seltene Erkrankungen werden immer häufiger als bedeutendes Gesundheitsproblem wahrgenommen. Die Erforschung und Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten für diese Erkrankungen werden gesetzlich gefördert und vereinfacht (Orphan Drug Laws). Das hat dazu beigetragen, dass auch für seltene Lebererkrankungen und Stoffwechselerkrankungen zunehmend Fortschritte in der Entwicklung von Therapien zu verzeichnen sind. „Es wird immer wichtiger, diese Erkrankungen zu erkennen und einen langen Leidensweg zu beenden“, betont Prof. Elke Roeb, Vorsitzende des Kuratoriums der Deutschen Leberstiftung. „Wir empfehlen, bei unspezifischen Beschwerden die Leberwerte zu kontrollieren und seltene Lebererkrankungen als Ursache in Betracht zu ziehen. Viele seltene Lebererkrankungen sind inzwischen behandelbar. Es wäre fahrlässig, wenn wir diese nicht erkennen“, betont die Expertin.

Die Kupferspeicherkrankheit (Morbus Wilson, Wilson-Krankheit) ist eine sehr seltene Erbkrankheit, an der etwa einer von 30.000 Menschen leidet. Die Ursache ist eine Veränderung im Erbgut, die dazu führt, dass der Körper Kupfer nicht in ausreichendem Maße ausscheiden kann. So sammelt sich Kupfer unter anderem in der Leber an, was zu einer akuten oder chronischen Hepatitis, Leberfibrose und auch einer Leberzirrhose führen kann. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie verbessern die Lebenserwartung und können Leberschäden sowie neurologischen Erkrankungen vorbeugen. Die Behandlung besteht in der Regel zunächst in der Einnahme von Tabletten (Chelatoren), die über eine Kupferbindung dessen Ausscheidung in den Urin erhöhen und so überschüssiges Kupfer abbauen. Seit Kurzem sind zwei Trientine-Präparate in Deutschland erhältlich. Weitere neue Medikamente werden aktuell erprobt.

Porphyrien sind ebenfalls Stoffwechselerkrankungen. Hier können verschiedene Schritte im Aufbau des roten Blutfarbstoffs Häm betroffen sein, wodurch sehr unterschiedliche klinische Symptome entstehen. Durch angeborene Veränderungen in bestimmten Enzymen, die dann nicht ausreichend arbeiten, kann es zu einem Aufstau von Häm-Vorläufersubstanzen kommen, die für verschiedene Symptome an Haut und im Magen-Darm-Trakt verantwortlich sind. Die für die Leber relevante Porphyrie ist die akute intermittierende Porphyrie. Bei dieser ist ein Enzym mit dem Namen Porphobilinogen-Desaminase in der Leber verändert. Seit 2020 ist mit Givosiran ein neuer Wirkstoff für die Behandlung dieser Porphyrie zugelassen, der ein Gen vorübergehend stumm schaltet, sodass die Häm-Vorläufer nicht mehr so zahlreich anfallen und die Symptome gelindert werden.

Der Alpha-1- Antitrypsin-Mangel ist eine angeborene Stoffwechsel-Erkrankung, die in Deutschland wahrscheinlich etwa 10.000 Menschen betrifft. Verschiedene Veränderungen in der Erbsubstanz führen zu einer gestörten Sekretion und Funktion des Enzyms Alpha-1-Antitrypsin, was Lungenerkrankungen zur Folge haben kann. In der Leber, wo Alpha-1- Antitrypsin gebildet wird, kann die gestörte Ausschleusung aus der Zelle zu einem Zellschaden führen. Das kann im Laufe von Jahren in einer Leberzirrhose münden. Das Risiko für eine Leberzirrhose hängt vom Genotyp ab. Eine therapeutische Gabe von Alpha-1- Antitrypsin kann für die Lungenerkrankung hilfreich sein; für die Lebererkrankung ist die therapeutische Bedeutung noch unklar. Die Erkrankung der Leber kann bisher letztlich nur durch eine Lebertransplantation behandelt und geheilt werden. Substanzen, die – wie bei der Porphyrie – auf Gen-Stummschaltung beruhen und die Lebererkrankung verbessern könnten, sind aktuell in der klinischen Forschung.

Die Hämochromatose ist grundsätzlich eine der häufigsten erblichen Stoffwechselstörungen, gehört aber mit der vollen Ausprägung der Symptome eher zu den seltenen Erkrankungen. Die Eisenspeicherkrankheit führt zu einer verstärkten Eisenaufnahme des Körpers aus der Nahrung über den Dünndarm. Dieser Eisen-Überschuss lagert sich vor allem in der Leber, der Bauchspeicheldrüse, der Hypophyse, dem Herzen und anderen Organen sowie Gelenken ab. Der Krankheitsprozess verläuft sehr langsam: Symptome wie schwere Leber- oder Herzschäden (Leberzirrhose, Kardiomyopathie, Herzrhythmusstörungen), Bronzefärbung der Haut, Gelenkbeschwerden, Impotenz, chronische Müdigkeit oder eine Zerstörung der Bauchspeicheldrüse entwickeln sich daher häufig erst im Erwachsenenalter. Die Therapie besteht in der bewährten Methode des Aderlasses, der Entleerung der Eisenspeicher durch Entnahme von Erythrozyten (rote Blutkörperchen). Eine medikamentöse Behandlung erfolgt nur, wenn eine Anämie (Blutarmut) oder eine fortgeschrittene Kardiomyopathie besteht.

Als lysosomale Speicherkrankheiten werden vererbte Stoffwechselerkrankungen bezeichnet, bei denen Fehlfunktionen im Lysosom (Zellorganelle) vorliegen. Das Lysosom ist in der Zelle für den Abbau von verschiedenen Substanzen zuständig. Werden diese Substanzen nicht mehr abgebaut, reichern sich diese in der Zelle an, was zu deren Schädigung führen kann. Ursächlich sind angeborene Veränderungen einzelner Enzyme, die im Lysosom wirken. Die Diagnose dieser Erkrankungen erfolgt über die Messung des verminderten Enzyms im Blut, gefolgt von der Suche nach den Veränderungen im entsprechenden Gen. Der Enzym- und Gen-Test ist heute über einen aus der Fingerbeere entnommenen Bluttropfen möglich (Trockenblut-Test); man kann gleichzeitig nach Morbus Gaucher, Morbus Niemann-Pick und Lysosomale saure Lipase-Defizienz (LAL-D) suchen. Viele der lysosomalen Speicherkrankheiten kann man heute mit einer Enzymersatztherapie erfolgreich behandeln.

Kontakt:

Prof. Dr. Elke Roeb
Universitätsklinikum Gießen
Schwerpunkt Gastroenterologie
Klinikstr. 33
35392 Gießen
Telefon: (0641) 985 42338

Pressekontakt:

Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH (UKGM)
Frank Steibli
Rudolf-Buchheim-Straße 8
35392 Gießen
Mobil: (0160) 7120456
Telefon: (0641) 985-51020
Mail: frank.steibli(at)uk-gm.de


Das Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) mit seinen 86 Kliniken und Instituten an den beiden Standorten Gießen und Marburg ist das drittgrößte Universitätsklinikum Deutschlands. Seit Februar 2006 trägt die RHÖN-KLINIKUM AG zu 95 Prozent die Verantwortung als Betreiber dieses ersten privatisierten Universitätsklinikums in der bundesdeutschen Geschichte und hat seitdem über 680 Millionen Euro an Eigenmitteln dort investiert. Die 10.900 Beschäftigten versorgen jährlich rund um die Uhr über 96.000 stationäre und 401.000 ambulante, sprich insgesamt 497.000 Patienten. In Gießen und Marburg stehen 2.330 Betten und 57 Operationssäle für modernste Diagnostik und umfassende Therapie und Behandlung auf internationalem Niveau zur Verfügung. Mehr zu uns finden Sie im Internet unter www.ukgm.de und www.ukgm.info

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