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RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt | 16.11.2016

Tipps vom Experten: Was hilft bei Migräne?

16.11.2016 – Über 300 verschiedene Arten von Kopfschmerzen sind aktuell bekannt. Die allermeisten sind vorübergehend und ungefährlich. Einige können jedoch lebensbedrohlich sein. Prof. Dr. Dipl.-Psych. Matthias Keidel, Chefarzt der Abteilung Akut-Neurologie und ausgewiesener Experte für Kopfschmerz und Migräne am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt lädt am Samstag, 19. November, um 15.15 Uhr zu einer Informationsveranstaltung in die Neurologische Klinik ein. Im Rahmen der Veranstaltung wird auch eine Selbsthilfegruppe gegründet. Im Vorfeld hat der Kopfschmerz-Experte bereits ein paar wichtige Fragen beantwortet:

Muss man sich als Patient noch Sorgen machen, wenn man Kopfschmerzen hat?

Nein. Mindestens 95 Prozent der rund 300 gelisteten Kopfschmerzarten sind sogenannte primäre Kopfschmerzen, also Migräne, Spannungskopfschmerz oder Clusterkopfschmerz. Diese sind meistens sehr gut therapierbar.

Und was ist mit den restlichen fünf Prozent?

Das sind die schlimmeren Varianten. Sie können zum Beispiel von einer akuten Hirnblutung oder Hirnhautentzündung herrühren. Hier muss der Arzt dafür sorgen, dass der betroffene Patient möglichst schnell notversorgt wird.

Ist bei Kopfschmerz der Hausarzt zunächst der richtige Ansprechpartner?

Die Hausärzte sind meiner Erfahrung nach sehr gut im Thema. Weiß der Hausarzt doch einmal nicht weiter, können ein Neurologe oder ein Facharzt mit Expertise in besonderer Schmerztherapie, die Schmerzambulanz oder wir als ausgewiesenes Kompetenzzentrum weiterhelfen.

Durch welche Faktoren entsteht eine Migräne?

Die Migräne ist eine Erkrankung des Gehirns. Bei der Migräne kommt es zu einer Aktivierung schmerzverarbeitender Zentren und zur Ausschüttung schmerzvermittelnder Botenstoffe, die dazu führen, dass es an den Blutgefäßen der Hirnhäute zu einer Art Entzündungsreaktion kommt. Nicht selten tritt die Migräne familiär gehäuft auf.

Wie kann man eine Migräneattacke erkennen?

Bei der Migräne treten attackenweise meist halbseitig pulsierende oder pochende Kopfschmerzen auf. Die heftigen Kopfschmerzen dauern in der Regel ein bis zwei Tage an, können von einer anfänglichen Übelkeit oder Erbrechen begleitet sein und verstärken sich bei körperlicher Aktivität. Häufig tritt eine Licht-, Geräusch-, Geruchs- oder Berührungsüberempfindlichkeit auf. Kreislaufbeschwerden wie Schwindelgefühl, „weiche Knie“, Zittern sowie Schwitzen oder Frieren sind möglich. Sehstörungen (Flimmern, helle Flecken, „Sternchen“, farbige Zacken, Gesichtsfeldausfälle, „Röhrensehen“) oder flüchtige Beschwerden wie bei einem Schlaganfall (Gefühlsstörungen, Armschwäche und Sprachstörung) können dem Kopfschmerz als sogenannte „Aura“ vorausgehen und dauern in der Regel nur eine halbe Stunde. Nach der Attacke kann für einige Tage eine vermehrte Müdigkeit, Erschöpfbarkeit und Leistungsminderung auftreten.

Was kann eine Migräneattacke auslösen?

Stress, aber auch Entspannung am Wochenende oder zu Urlaubsbeginn, Wetterwechsel, ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus, Nahrungsmittel (z.B. Milch- oder Schimmelkäse, gepökeltes Fleisch, Zitrusfrüchte) und Alkoholgenuss können Migräneattacken auslösen. Übermäßiger Genussmittelgebrauch (Nikotin, Koffein, Teein) sollte gemieden werden.

Spielen die Hormone für die Migräne eine Rolle?

Hormonelle Einflüsse auf die Migräne sind gegeben. Der Abfall der weiblichen Hormone, der zu der Monatsblutung führt, kann menstruationsassoziierte Migräneattacken auslösen. Während der Schwangerschaft nimmt in der Regel die Anzahl der Migräneattacken ab. Nach den Wechseljahren hört das Migräneleiden meist auf.

Ist Migräne gut behandelbar?

In ihrer normalen Form ja. Auch hier beobachten wir, dass eine verstärkte Einnahme von Medikamenten zur Verschlimmerung der Situation führen kann. Bei Migräne ist es wichtig, dass man nicht nur den Kopfschmerz an sich therapiert, sondern auch die Patienten selbst den Umgang mit evtl. bestehenden Belastungsfaktoren im Beruf und im Privaten wenn möglich verändern.

Welche Arten von Kopfschmerz gibt es sonst noch?

Der Clusterkopfschmerz ist der stärkste Schmerz überhaupt, auch stärker als der weitverbreitete Migränekopfschmerz. Beim Clusterkopfschmerz handelt es sich um einen heftigen, meist stechenden Kopfschmerz, der in der Regel mit nächtlichen Attacken einseitig, mit Schmerzmaximum im und um das Auge sowie in der Stirn- und Schläfenregion auftritt. Diese Attacken können 15 Minuten bis drei Stunden anhalten. Lokale vegetative Begleiterscheinungen treten einzeln oder kombiniert auf: gerötete Bindehaut, tränendes Auge, verengte Pupille, gegebenenfalls mit verengter Lidspalte und in der Augenhöhle tiefer liegendem Augapfel, Lidschwellung, vermehrtes Schwitzen im Gesicht und um das Auge und eine laufende oder verstopfte Nase. In der Regel treten die Attacken als Cluster über einige Monate, meist im Frühjahr oder Herbst, bei dazwischen liegender Beschwerdefreiheit auf. Ein chronischer Clusterkopfschmerz ist möglich. In Einzelfällen kommt es sogar vor, dass betroffene Menschen sich das Leben nehmen wollen, weil sie den Schmerz als nicht mehr aushaltbar empfinden. Bei diesen Patienten muss man als Arzt darauf achten, dass die psychische Komponente in die Therapie mit einbezogen wird

Ab welchem Zeitpunkt empfehlen Sie die Einnahme von Medikamenten?

Zunächst kann versucht werden den Migränekopfschmerz mit Allgemeinmaßnahmen zu lindern. Da kann es ausreichend sein, körperliche Arbeit zu unterbrechen, sich hinzulegen und sich mit Verdunkelung oder Abstellen des Radios eine Reizabschirmung zu verschaffen. Hilfreich kann eine selbst durchgeführte Akupressur mit Druck auf die Schläfen- und Nackenmuskulatur sein. Bewährt hat sich eine Kühlung der Stirn und/oder des Nackens z. B. mit einem „Coldpack“ aus dem Eisschrank oder durch Auftragen von Pfefferminzöl auf die Stirn und den Nacken beidseits, das durch Verdunstung ebenfalls kühlt. Atemtechnik (z. B. doppelt so lange ausatmen wie einatmen) oder muskuläre Entspannungstechniken der Schulter-Nacken-Muskulatur sind ebenso förderlich.

Reichen diese Maßnahmen nicht aus, dann kann die Migräneattacke mit einem freiverkäuflichen Schmerzmittel oder einem speziellen Migränemedikament behandelt werden. Je früher das Medikament zu Beginn einer Migräneattacke eingenommen wird, umso wirksamer ist es. Werden Migränemittel zur akuten Attackenbehandlung häufiger als 10-mal im Monat eingenommen, kann paradoxerweise die Häufigkeit der Migräneattacken zunehmen und sich das Migräneleiden verschlimmern.

Treten Migräneattacken mehrmals im Monat auf oder halten Attacken sehr lange an und reagieren nicht ausreichend auf die medikamentöse Akuttherapie, dann kann eine Behandlung mit vorbeugend wirksamen Medikamenten erfolgen.

Gibt es Behandlungsmethoden, die sie empfehlen können, zum Beispiel im Bereich der Homöopathie oder Akupunktur?

Akupunktur besitzt nur eine geringe Bedeutung in der Behandlung einer akuten Migräneattacke. Sie besitzt eine Wirksamkeit in der Vorsorgebehandlung der Migräne. Insbesondere während einer Schwangerschaft kann zur Migränevorsorge mit Reduktion der Migräneattacken und zur Vermeidung von Medikamenteneinnahmen neben Entspannungsübungen oder Biofeedback die Akupunktur zum Tragen kommen.

Eine sichere Wirksamkeit homöopathischer Behandlungsansätze der Migräne ist nicht gegeben. Behandlungsversuche können mit der hochdosierten Einnahme von Vitamin B2 in Kombination mit Magnesium, Co-Enzym Q10 und Omega 3-Fettsäuren unternommen werden. Die Substanzen sind als diätetische Lebensmittel erhältlich. Eine Wirksamkeit zeigt sich im Einzelfall, da eindeutige Studiendaten, die die Wirksamkeit belegen, nicht vorliegen.

Wie kann man Kopfschmerzen sinnvoll vorbeugen?

Gegen den Spannungskopfschmerz und die Migräne hilft regelmäßiger, lockerer Ausdauersport an der frischen Luft, zum Beispiel abends. Das hat auch einen schlafanstoßenden Effekt. Wenn der Nachtschlaf gut ist, hat man am Tag mitunter weniger Kopfschmerz.

Ergänzend zum Sport kann auch ein geregelter Tagesablauf helfen. Man sollte immer zur gleichen Zeit aufstehen und zu Bett gehen, immer zur gleichen Zeit Mahlzeiten einnehmen und im Idealfall auf Fast Food, Cola und zu viel Kaffee verzichten. Wer dann noch zwei Liter am Tag trinkt und sich hin und wieder eine Entspannungspause gönnt, beugt dem Kopfschmerz aktiv vor.

Sie unterstützen die Gründung einer Selbsthilfegruppe in Bad Neustadt. Wie können Patienten davon profitieren?

Eine Selbsthilfegruppe versteht sich als Hilfe zur Selbsthilfe für den Umgang mit dem Migräneleiden. Die Betroffenen können durch den Zusammenschluss mit ihren Leidensgenossen ihre persönlichen Erfahrungen mit der Erkrankung austauschen. Viele Betroffene, aber auch die Angehörigen in einer Selbsthilfegruppe, schöpfen Kraft aus einem persönlichen Gespräch mit ebenfalls an Migräne leidenden Gruppenmitgliedern, die die eigenen Schmerzen, Ängste oder auch Bedürfnisse nachvollziehen können. In besonderen Veranstaltungen mit Vorträgen und durch eigene Magazine oder Internetforen der Selbsthilfegruppen wird der Betroffene über den aktuellen Erkenntnisstand der Migräne-Forschung und über neue Behandlungsmöglichkeiten informiert. Die Selbsthilfegruppe unterstützt u. a. in sozialmedizinischen Fragen, im Umgang mit den Behörden und informiert über spezialisierte Kopfschmerzkliniken und Ärzte.  

Information und Anmeldung zum Vortrag: „Migräne ist eine Volkskrankheit“

Gabriele Köster-Rottenberger

Tel.: 09771-908 87 77

E-Mail: gabriele.koester-rottenberger(at)neurologie-bad-neustadt.de

Pressekontakt:

Annekatrin Höppner
Leitung Standortkommunikation
RHÖN-KLINIKUM AG
Campus Bad Neustadt
Tel.: 09771 67-1596
E-Mail: annekatrin.hoeppner(at)rhoen-klinikum-ag.com

 

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